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Vom Hautleim zum Universalklebstoff

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 (2010) (2010)

Katrin Cura
Vom Hautleim zum Universalklebstoff
Zur Entwicklung der Klebstoffe
316 Seiten, zahlr. teilw. farbige Abb., Gb., 40,00 Euro
ISBN 978-3-928186-91-9
In diesem Beitrag zur Chemie- und Technikgeschichte wird erstmals systematisch die Entwicklung der Klebstoffe untersucht.

 

Zusammenfassung und Ergebnis

Die herkömmlichen Darstellungen zur Geschichte der Klebstoffentwicklungen, die sich auf einen rein chronologischen Ansatz beschränken, sind völlig unzureichend, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Ohne eine Betrachtung des Beziehungsgeflechts zwischen den einzelnen Akteuren und ohne Einbeziehung des kulturhistorischen Kontextes besonders mit Blick auf die sozioökonomischen Verhältnisse lässt sich die Geschichte der Klebstoffentwicklung in der Neuzeit nicht verstehen.

Für ein tiefer gehendes Verständnis der Geschichte der Klebstoffe ist es unabdingbar, genau zwischen den in der Einleitung genannten vier Aspekten der Klebstoffentwicklung und den in diesen verschiedenen Phasen tätigen Akteuren zu unterscheiden, denn nur so lässt sich die Geschichte der Klebstoffe in allen ihren Dimensionen erklären.

Ein wichtiger Ansatzpunkt dabei ist die Untersuchung der Innovationsleistungen, wie die Entwicklung neuer Grundstoffe, Neuerungen im Bereich der Produktion, Darreichungsformen und Verpackung, die Wechselwirkung zwischen Klebstoffen, Kunststoffen und Lacken, die Suche nach Ersatzstoffen, die allgemein gestiegenen chemischen Kenntnisse sowie die veränderten Anforderungen an die Klebstoffe. Diese hängen zum Teil mit dem Wandel der Betriebsform vom Handwerk über das Manufaktur- zum Fabrikwesen zusammen.

Zunächst wurde die Klebstoffentwicklung anhand der Hautleime vom 16. bis 20. Jahrhundert untersucht. Dabei ließen sich betriebswirtschaftliche und technologische Entwicklungslinien der Herstellung nur allgemein thematisieren, denn die zeitgenössische Literatur enthielt keine Informationen über einzelne Firmen. Im betrachteten Zeitraum wandelte sich die Leimherstellung von der handwerklichen Kleinproduktion zum manufakturähnlichen Großbetrieb und schließlich zum Fabrikwesen. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland eine Vielzahl an mittelständischen Leimfabriken, die zwar der chemischen Industrie zugeordnet wurden, aber nicht der Großindustrie angehörten, wie die Firmen BASF oder Bayer.

Die Leimfabriken stellten nur wenige Glutinleime her, die sie als Art Grundprodukt an die Verwender wie Handwerker oder Fabrikanten verkauften. Diese modifizierten die Leime mit Zusätzen zu Spezialprodukten mit besonderen Eigenschaften und verarbeiteten sie dann. Somit konnte nachgewiesen werden, dass mit der Industrialisierung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert die Hersteller und Verwender getrennt waren. Die Fabriken waren ausschließlich Leimhersteller, aber keine Entwickler, denn diese verarbeiteten neue Grundstoffe zu Spezialklebstoffen.

Dennoch vollzogen die Leimhersteller im begrenzten Rahmen eine Entwicklungsleistung, denn sie stellten zunehmend neue Glutinleimsorten in verschiedenen Mischungen und Darreichungsformen her. Anfang des 20. Jahrhunderts produzierten sie weiterhin die traditionellen Hautleimsorten, wie Tischlerleim und Pergamentleime, auch wenn deren Anteil inzwischen auf 50% gesunken war, denn sie wurden zunehmend von den Knochenleimen verdrängt. Deren wichtigster Grundstoff war ebenfalls Glutin, so dass sie nicht als Weiterentwicklung der Klebstoffe zu betrachten sind und in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert werden.

Um die großen Mengen herzustellen, verwendeten die Firmen zunehmend neue Geräte und Maschinen, die die Abläufe beschleunigten, aber nicht veränderten. Sie fügten sich in die bisherigen Herstellungsverfahren ein, so dass die Leimherstellung vom Handwerk bis zum Fabrikwesen in den drei Arbeitsschritten gleich blieb: Reinigung der Ausgangsmaterialien, Sieden des Leimes und Trocknen des Leimes. Damit unterlag das Leimgewerbe keinen starken Veränderungen, die sich bereits bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen.

Zu dieser Zeit gab es keine hauptberuflichen Leimhersteller, sondern die Pergamenter und Weißgerber betrieben es als Nebentätigkeit, um ihre Abfälle zu verwerten. War das zeitgenössische Handwerk schon nicht besonders innovativ, so galt dieses noch viel weniger für eine Nebentätigkeit, die zudem nur im Frühjahr und Herbst durchzuführen war. Diese Haltung lässt sich auch als Grund dafür anführen, dass die Leimhersteller nur zwei Pergamentsorten und den allgemeinen Tischlerleim produzierten. Damit waren sie nachweislich keine Entwickler, die neue Sorten oder gar Klebstoffe schufen.

In ihrer Werkstatt stellten sie nur die traditionellen Glutinleimsorten her, die Jahrhunderte lang gebräuchlich waren, und verkauften sie an die unmittelbare Umgebung. So zeigte sich bereits zu dieser Zeit die Differenzierung in Hersteller und Verwender, die in räumlich getrennten Werkstätten arbeiteten. Dadurch war der Leim ein Handelsprodukt, das aber keinen eigenen Handelsnamen trug. Dies war auch nicht nötig, da Verkäufer und Käufer meistens aus den gleichen Orten stammten und die üblichen Qualitätsstandards kannten. Durch diesen engen persönlichen Kontakt waren den Pergamentern und den Weißgerbern die besonderen Anforderungen der Verbraucher bekannt. Dennoch nutzten sie dieses Wissen nicht, um Spezialklebstoffe herzustellen und sie an die Verbraucher zu verkaufen.

Auch betriebswirtschaftliche Änderungen führten nicht zu Neuentwicklungen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde aus dem Nebenerwerb ein Haupterwerb, denn viele Pergamenter und Weißgerber verarmten und begannen ausschließlich von der Leimsiederei zu leben. Somit hätten sie aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht die Motivation gehabt, Spezialprodukte herzustellen und ihren Absatz zu erhöhen. Dies trat jedoch nicht ein. Zum einen, weil die Verwender kein Interesse daran hatten und den Leim selbst modifizierten, um somit die gewünschte Qualität zu gewährleisten. Zum anderen, weil der Leimsieder eine Vielzahl an Spezialprodukten hätte anbieten müssen, denn im Prinzip wurde für jede Anwendung ein Spezialleim benötigt. Somit trug die Entstehung eines eigenständigen Leimgewerbes nicht dazu bei, die Vielfalt der Leimsorten zu erhöhen. Stattdessen kauften die Verbraucher weiterhin die Grundleime.

Die Verkaufsstrukturen änderten sich im 18. und 19. Jahrhundert, als manufakturähnliche Großbetriebe entstanden, die ihre Leimmengen überregional vertrieben. Die Leime erhielten immer noch keine Markennamen, aber wurden oft nach dem Herstellerland, wie z. B. englischer und flämischer Leim, benannt. Durch diese Bezeichnungen wusste der Verbraucher, um welche Sorten und Qualitäten es sich handelte, denn er kannte den Hersteller nicht mehr persönlich. Dennoch blieb die Leimsortenvielfalt weiterhin beschränkt, auch als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Chemiker den Stoffaufbau des Glutinleims und seine Reaktion bei der Herstellung theoretisch erklärten. Ihre Untersuchungen und Forschungen sind eine Folge von Beckmanns Technologieansatz, den er in seinem Werk »Anleitung zur Technologie« von 1777 formulierte, worin er die Zeitgenossen aufforderte, sich mit dem Aufbau und der Umsetzung der Materie auseinander zu setzen, um damit längerfristig das handwerkliche Gewerbe zum modernen Manufaktur- und Fabrikwesen weiter zu entwickeln. Die gestiegenen chemischen Kenntnisse nutzten die Hersteller lediglich, um den Grundstoff Glutin nicht mehr aus Haut- und Sehnen zu isolieren, sondern ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus Knochen.

Dagegen entwickelten die Leimfirmen keine Klebstoffe auf neuer Grundstoffbasis, um sie herzustellen. Dies war mit veränderten Produktionsabläufen verbunden, für die den mittelständischen Betrieben das Kapital fehlte.

Es ließ sich nachweisen, dass durch die gestiegenen chemischen Kenntnisse der Produktionsprozess optimiert, aber nicht im Ablauf verändert wurde. So wurden nur die Analysemethoden verbessert, um die Qualität der Ausgangsmaterialien und der Leime zu gewährleisten. Ebenso bewirkten die betriebswirtschaftlichen Veränderungen, wie der Übergang vom Handwerk zur Industrie nicht die Entwicklung neuer Klebstoffe. Dennoch führten sie zu neuen Darreichungsformen. Der ausschlaggebende Impuls kam durch den verstärkten Kontakt zwischen Herstellern und Verbrauchern.

Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten die Verbraucher inzwischen auch unter industriellen Bedingungen und benötigten oft besondere Zubereitungen, wie den Leim als Pulver, als Granulat oder Flocken, die schneller in Wasser quellten und sich somit leichter verbrauchen ließen. Die Hersteller konnten diese Wünsche erfüllen, denn mit den neuen Maschinen, hauptsächlich den Trocknungsanlagen, ließen sich solche Darreichungsformen herstellen. Die zeitgenössische Literatur benannte sie nur nach ihrem Aussehen, ihrer Verwendung oder dem Herstellerland, nicht aber mit einem Markennamen.

Damit lässt sich nachweisen, dass eine echte Weiterentwicklung der Klebstoffe vom 16. bis 20. Jahrhundert nicht innerhalb des leimherstellenden Gewerbes stattfand. Es nahm nur die Funktion eines Herstellers ein, aber nicht die eines Entwicklers, der neue Grundstoffe zu Spezialklebstoffen verarbeitete. Die Weiterentwicklung der Klebstoffe vollzogen andere Akteure, wobei der enge Kontakt zwischen den Herstellern und Verbrauchern charakteristisch war.

Anhand von Fallbeispielen im Holz- und Papierbereich ließ sich erstmals nachweisen, dass die Entwicklung der Klebstoffe meistens in vier Phasen stattfand, die eng mit den Akteuren zusammenhingen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Entwickler der Grundstoffe und Entwickler der Klebstoffe noch die gleiche Person. Erst später zeigte sich eine Differenzierung in Grundstoffentwickler und diejenigen, die ihn zum Klebstoff weiter verarbeiteten. Diese Differenzierung ist auf die zunehmenden chemischen Kenntnisse zurückzuführen, denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden verstärkt neue Grundstoffe geschaffen. Der Grund für ihre Entwicklung hing mit den sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen zusammen. Durch die Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland wuchs die Bevölkerung stark an und hatte einen großen Bedarf an Produkten aller Art, die sich mit den herkömmlichen Materialien nicht mehr befriedigen ließ. Es begann eine Suche nach neuen und preiswerten Grundstoffen, die die traditionellen Materialien ersetzen sollten. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die Chemiker den neuen Grundstoff nicht ausschließlich entwickelten, um ihn als Klebstoff zu verarbeiten.

Waren sie Mitarbeiter an Universitäten, dann entwickelten sie neue Grundstoffe im Rahmen ihrer Grundlagenforschung. So experimentierte der Chemiker Kleeberg 1872 an den Phenol-Formaldehyd-Harzen, ohne klare Anwendungsgebiete vorzuschlagen. Der Universitätsdozent Hanns John schlug vor, das Harnstoff-Formaldehyd-Harz als Klebstoff, Kunststoff und Lack zu verwenden, ohne konkrete Beispiele zu nennen.

Zielgerichteter waren die Forschungen der Industriechemiker, die bei ihren Arbeiten immer eine bestimmte Weiterverarbeitung vor Augen hatten. So schlug der Chemiker Adolf Spitteler vor, die von ihm entwickelten Kasein-Formaldehyd-Kondensate als künstliche Masse zu verwenden. Hans Klatte schuf Polyvinylacetat als Ersatzstoff für die brennbare Nitrocellulose, die bereits als Lack, Kunststoff und Klebstoff verwendet wurde.

Damit ließ sich nachweisen, dass die Zunahme theoretischer und praktischer Kenntnisse zur Entwicklung neuer Grundstoffe führte. Diese waren nicht unmittelbar an die Klebstoffverwendung gekoppelt, eher an die drei Anwendungsgebiete sowie die Suche nach Ersatzstoffen.

Oftmals entwickelte eine weitere Person oder Firma zeitversetzt aus dem Grundstoff einen Klebstoff, der zudem erst nach längerer Zeit wirtschaftlich erfolgreich war. Der Grund dafür war, dass in vielen Bereichen erst ein neuer Klebstoff entwickelt wurde, als die Anforderungen sich änderten. So reichten bei der Sperrholzverarbeitung noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts die traditionellen Hautleime aus. Erst als das Sperrholz im technischen Bereich verwendet wurde, begann die Entwicklung wasserfester Klebstoffe. Im Papierbereich setzte diese ein, als Klebstoffe benötigt wurden, die bei Zimmertemperatur schnell zu verarbeiten waren.

In beiden Anwendungsbereichen produzierten die Entwickler die Klebstoffe auch, während andere Akteure sie gebrauchten. Damit vereinigten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts Entwickler und Hersteller in einer Person und trennte sich vom Verwender ab.

Zusammenfassend sind Gründe für die Klebstoffentwicklung oftmals auf den engen Kontakt zwischen Entwicklern/ Herstellern und Verbrauchern zurückzuführen, die Wechselwirkung zwischen Klebstoff, Kunststoff und Lacken, die gestiegenen chemischen Kenntnisse sowie auf den Wandel der Betriebsform vom Handwerk zum Fabrikwesen und den veränderten Anforderungen in der Anwendung zu sehen.

Das älteste Produkt der Papierklebstoffe war der Mundleim, ein Vorgänger des heutigen Klebestiftes. Ihn schufen die handwerklichen Buchbinder und Maler bereits vor dem 16. Jahrhundert. Dabei handelte es sich nicht um eine Weiterentwicklung, denn die Handwerker verwendeten für seine Herstellung keinen neuen Grundstoff. Zu dieser Zeit fehlten die chemischen Kenntnisse, um neue Substanzen zu entwickeln und daraus neue Produkte aller Art herzustellen. Aus diesen Gründen griffen die Buchbinder auf die traditionellen Haut- und Fischleime zurück, versetzten sie mit Zucker und formten sie zu Stäbchen. Sie wurden bereits durch die Körperwärme und Feuchtigkeit im Mund klebrig, wobei die Stäbchenform als Verpackung unterstützend wirkte. Somit war der Mundleim für schnelle Verklebungen bei Zimmertemperatur geeignet und musste nicht, wie die traditionellen Hautleime, aufwändig vor dem Gebrauch gewässert und erwärmt werden.

Die Entwicklung des Mundleimes stand ganz in der handwerklichen Tradition, bei der die Praktiker Leime mit Zusätzen zu Spezialprodukten modifizierten. Dafür kauften die Buchbinder die Pergamentleime von den traditionellen Herstellern oder stellten sie selbst her und produzierten den Mundleim in ihrer Werkstatt für den Eigenbedarf. Somit wurde er kein Handelsprodukt mit eigenem Markennamen.

Damit führte der enge Kontakt zwischen Hersteller und Verwender in Person des Buchbinders zur Entwicklung des Mundleimes, da er die besonderen Anforderungen an den Klebstoff kannte. Allerdings reichten diese beiden Faktoren nicht zur Entwicklung neuer Klebstoffe aus und spiegeln das geringe Innovationsbestreben im Handwerk.

Zur Entwicklung neuer Klebstoffe im Handwerk kam es nur in Ausnahmefällen, wie das Beispiel Moritz Friedrich Illig Anfang des 19. Jahrhunderts zeigte. Seine Erfindung von 1805 war ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Klebstoffe, denn sein Harzleim enthielt einen anderen Grundstoff als das Glutin der traditionellen Hautleime, mit denen bisher das Papier geleimt wurde. Sie ließen sich nicht bei Zimmertemperatur verarbeiten, so dass Illig eine neue Zubereitung benötigte und sie entwickelte. Außergewöhnlich war, dass er sich als Handwerker die allgemein gestiegenen chemischen Kenntnisse in seiner Freizeit aneignete. Dabei agierte er sehr zielgenau, denn er suchte einen Grundstoff, den er nur als Klebstoff verwenden wollte. Der Grund dafür war, dass er wie alle traditionellen Handwerker in seiner Werkstatt den Leim auch selbst herstellte und verbrauchte. Somit kannte er die besonderen Anforderungen, die an den Klebstoff gestellt wurden und konnte sie bei der Entwicklung des Grundstoffes, dessen Verarbeitung zum Klebstoff, Herstellung und Verwendung berücksichtigen. Damit vereinte er alle vier Phasen der Kunststoffentwicklung in seiner Person.

Illigs Handeln war davon geprägt, dass er Theorie und Praxis miteinander verband. Diese Kombination war typisch für das Ende des 18. Jahrhunderts und ist auf Beckmanns Technologieansatz zurückzuführen. Allerdings wurde sie meist von Gelehrten umgesetzt, die mit diesem Ansatz das Manufakturwesen zum Fabrikwesen weiter entwickeln wollten. Moritz Illigs Erfindung war dafür richtungweisend, denn mit dem Harzleim ließen sich die beiden Arbeitsschritte Papierschöpfen und Papierleimung miteinander verbinden und der gesamte Arbeitsprozess sich beschleunigen.

Allerdings war seine Motivation in seinen eigenen persönlichen Erfahrungen zu sehen und nicht im Bestreben, das Gewerbe weiter zu entwickeln. Primär wollte Moritz Illig mit seiner Erfindung Geld verdienen. Er versuchte die Herstellungsanleitung an die Papiermacher zu verkaufen, da sie traditionell den Leim selbst herstellten und auch verbrauchten. Insofern integrierte sich Illigs Erfindung in die handwerklichen Abläufe und der Harzleim wurde weder ein Handelsprodukt noch ein Markenprodukt.

Betrachtet man die weitere Entwicklung der Klebstoffe im Papierbereich vom 19. zum 20. Jahrhundert, so ließ sich bei allen Fallbeispielen eine zunehmende Differenzierung der Akteure in Entwickler und Hersteller des Leimes einerseits und in Verwender anderseits nachweisen. Der Grund lag hauptsächlich darin, dass es sich nicht mehr um einen Spezialklebstoff für eine Anwendung im Gewerbe handelte, sondern um vielseitige Papier- und Universalklebstoffe, die alle Haushalte und Gewerbe nutzen konnten. Eine Firma entwickelte und produzierte den Klebstoff, um ihn überregional zu verkaufen, so dass eine räumliche Trennung zu den Verwendern stattfand.

Zwischen beiden fand aber ein enger Kontakt statt, nicht zuletzt weil die Entwickler als Privatmenschen selbst Verbraucher dieser Klebstoffe waren. Somit kannten sie die besonderen Anforderungen und entwickelten einen Klebstoff, der sich schnell und einfach bei Zimmertemperatur verarbeiten ließ. Auch wussten sie um die Vorteile einer praktischen Verpackung wie Tube oder Rolle sowie eines geschickten Marketings.

Die Industrialisierung spielte nur für die Entwicklung der Klebebänder eine Rolle, da Kautschuk sich nur so verarbeiten ließ. Die anderen Hersteller produzierten den Leim zunächst in Handarbeit und erst später mit Dampfkraft. Wichtige Impulse zur Entwicklung gaben die allgemein gestiegenen chemischen Kenntnisse. Zwei der Akteure, Oscar Troplowitz und August Fischer, waren sogar studierte Apotheker und leiteten eine chemische Fabrik. Insofern entwickelten sie aus wirtschaftlichen Gründen sehr zielgerichtet aus den Grundstoffen einen Klebstoff. Dagegen übernahm die Grundstoffentwicklung ein anderer Akteur oder sie konnte nicht klar einer Person oder Firma zugeordnet werden.

Dies zeigte sich bereits beim ersten Markenklebstoff, der unter der Bezeichnung »Syndetikon« ab 1880 vertrieben wurde. Hierbei gab es keinen separaten Entwickler des Grundstoffes, denn dieser entstand bei der Klebstoffherstellung. In der Praxis reagierte glutinhaltiger Haut- und Fischleim mit Salpetersäure und die vielfältigen Reaktionen führten zu einer Substanz, die eine Zwischenstellung zwischen modifiziertem Glutin und neuem Grundstoff einnahm. Die Anregungen dafür holte sich Otto Ring aus der zeitgenössischen chemisch-technischen Literatur. Sie entstand infolge der allgemein gestiegenen chemischen Kenntnisse sowie Beckmanns Technologieansatz und enthielt chemische Rezepturen für die Herstellung von Klebstoffen, die die Handwerker und Gewerbetreibenden in den manufakturähnlichen Großbetrieben des 19. Jahrhunderts selbst herstellten. Dazu gehörten auch die Kaltleime, die im Gegensatz zum traditionellen Hautleim, bei Zimmertemperatur flüssig und sofort gebrauchsfähig waren. Otto Ring erkannte, dass sie sich auch als Papier- und Universalklebstoff im Haushalt eigneten und somit ließ sich nachweisen, dass nicht die besonderen Anforderungen zur Entwicklung dieses Klebstoffes beitrugen. Otto Ring entwickelte eine neue Spezialrezeptur und war somit Entwickler und Hersteller in einer Person.

Dagegen nahm er nicht die Funktion des Verwenders ein, denn dies waren die Personen in Haushalt, Büro und Gewerbe. Durch die räumliche Distanz zwischen Produktion und Anwendung wurde der Klebstoff zu einem Handelsprodukt mit Markennamen. Damit stand er für eine ganz spezielle Qualität, denn erstmals stellte eine Firma einen Spezialklebstoff für eine ganz bestimmte Verbrauchergruppe her.

Otto Ring stellte den Leim zunächst in Handarbeit her und führte mit steigender Nachfrage dann die industriellen, dampfgetriebenen Herstellungsmethoden ein. Der große Erfolg der Produkte war nicht nur auf die Werbung zurückzuführen, sondern auch auf die Tube als Verpackung, die den Gebrauch sehr vereinfachte.

Ähnliche Umstände zeigten sich auch bei den Klebebändern Cito-Sportheftpflaster, Leukoplast und Tesa. Der Firmeninhaber von Beiersdorf, Dr. Oscar Troplowitz (1863-1918), entwickelte weder erstmals die Klebebänder noch die Klebemasse auf Basis eines Kautschuk-Harz-Gemisches, denn beides boten schon frühere Hersteller an. Troplowitz schuf eine neue Spezialrezeptur und nutzte dafür seine chemischen Kenntnisse aus der Apothekerausbildung. Somit war er nachweislich Entwickler der Klebstoffe und Hersteller. Die Produktion war eng mit der Industrialisierung verbunden und in seiner chemischen Fabrik in Hamburg verwendete er von Anfang an Maschinen, ohne die Kautschuk nicht zu verarbeiten war. Betrachtet man diese Entwicklung, so lässt sich eine Wechselwirkung zwischen Kunststoffen, Klebstoffen und Lacken nachweisen.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Großbetrieben Kautschuk zu Hart- und Weichgummi vulkanisiert und zu preiswerten Massenartikeln weiter verarbeitet. Hamburg war Anfang des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Standort für diese Industrie und beeinflusste wohl auch die dort ansässige Firma Beiersdorf. Besonders das frühe Produkt Cito-Sportheftpflaster wurde entwickelt, um unter anderem Fahrradschläuche aus Weichgummi schnell und einfach zu verkleben. Darüber hinaus waren die Klebebänder für alle Materialien im Haushalt geeignet und ließen sich schnell und einfach verwenden, wobei die Rolle als Verpackung eine besondere Rolle spielte. Da Hersteller und Verbraucher getrennt waren, erhielten die Klebebänder einen Markennamen und mit Hilfe von gezielter Werbung sprach die Firma Haushalte, Industrie und ärztliche Praxen an.

Einzig beim Klebstoff Uhu ist die Grundstoffentwicklung dem Chemiker Fritz Klatte zuzuordnen, der 1912 Polyvinylacetat entwickelte. Die Firma Hoechst (I.G. Farben) stellte es Ende der 1920er Jahre industriell her und verkaufte es als Ersatz für die Nitrocellulose an die Industrie zur Lack-, Kunststoff- und Klebstoffherstellung. In der Anfangszeit gab es nur wenige Patente, Polyvinylacetat als Klebstoff zu verwenden, so dass August Fischer daraus ungehindert einen Papier- und Universalklebstoff herstellen konnte. Dagegen lagen für die Nitrocellulose schon zu viele Patente vor und hinderten ihn daran. Apotheker August Fischer entwickelte einen wasserfesten und durchsichtigen Klebstoff, wobei ihm die Wechselwirkung aller drei Anwendungsbereiche und die Suche nach Ersatzstoffen wichtige Impulse gaben. Ebenso wichtig waren die veränderten Anforderungen, denn ein neuer Haushaltsklebstoff konnte nur erfolgreich sein, wenn er sich von den bisherigen wasserlöslichen und leicht gelblichen Klebstoffen abhob. Mit Hilfe seiner chemischen Kenntnisse als Apotheker produzierte er den Klebstoff in seiner Fabrik, so dass er Entwickler und Hersteller in einer Person war. In der Anfangszeit erfolgte die Fertigung noch per Hand und erst die wachsende Nachfrage führte zur industriellen Herstellungsweise, so dass ein preiswertes Massenprodukt geschaffen werden konnte. Somit hatte die Industrialisierung keinen Einfluss auf die Entwicklung des Klebstoffes. Die Verwender waren Haushalt und Gewerbe, so dass der Klebstoff unter einem Markennamen verkauft wurde.

Auch bei der Entwicklung der Holzklebstoffe für die Sperrholzproduktion ließ sich eine zunehmende Differenzierung der Akteure nachweisen. Die Entwicklung des Grundstoffes fand getrennt von der Entwicklung und Herstellung des Klebstoffes statt. Dies übernahmen chemische Fabriken, die in großen Mengen wenige Spezialklebstoffe für die Sperrholzindustrie herstellten. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die Industrialisierung nicht unmittelbar zur Entwicklung der Klebstoffe führte. Sperrholz war seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein Industrieprodukt, wurde aber bis in die 1930er Jahre hauptsächlich mit traditionellen Leimen verarbeitet. Im Gegensatz zu den Papierklebstoffen wirkte sich die Wechselwirkung zwischen Kunststoffen, Lacken und Klebstoffen stärker auf die Entwicklung der Klebstoffe aus. Die Suche nach Ersatzstoffen spiegelte sich sogar im Sperrholz selbst wider, das massives Holz aufgrund seiner besonderen Eigenschaften ersetzte.

Hinsichtlich der Herstellung und Verarbeitung der Klebstoffe spielte die Industrialisierung wieder eine wichtige Rolle, denn die Klebstoffe ließen sich nur unter Druck und hohen Temperaturen herstellen. Dabei stellten chemische Firmen ein gebrauchsfertiges Vorkondensat her, das sich industriell unter den gleichen Bedingungen zu Sperrholz verarbeiten ließ. Die Produktionsabläufe ähnelten dabei auch der Kunststoffherstellung.

Die räumliche Trennung zwischen beiden führte dazu, dass der Klebstoff ein Handelsprodukt mit eigenem Markennamen wurde. Dennoch standen beide Akteure im engen Kontakt untereinander, so dass die chemischen Firmen Spezialklebstoffe mit besonderen Eigenschaften für diese Verbraucher herstellten.

Beim ersten Fallbeispiel für die Sperrholzherstellung ließ sich nachweisen, dass die Firma Schütte-Lanz Luftschiffbau Entwickler, Hersteller und Verwender zugleich war.

Normalerweise war die Vereinigung aller drei Aspekte typisch für das Handwerk, denn dort fand die gesamte Produktion an einem Ort statt, während bei der späteren Sperrholzindustrie Leimherstellung und Verwendung räumlich getrennt waren.

Insofern handelte es sich bei der Firma um einen Sonderfall, der auf sozialökonomische und politische Verhältnisse zurückzuführen ist. Ein wichtiger Innovationsfaktor war die Suche nach einem wasserfesten Leim und nicht die veränderten industriellen Bedingungen. Für den Bau ihrer Sperrholzluftschiffe suchte die Firma ab Mitte der 1910er Jahre nach einem neuen Klebstoff, denn die herkömmlichen Glutin- und Kaseinleime hielten den extremen Witterungsbedingungen nicht mehr stand. Aufgrund der geänderten Anforderungen entwickelte die Firma erstmals einen wasserfesteren Ersatzklebstoff auf Kasein-Formaldehyd-Basis, den sie wegen des großen Bedarfs auch auf dem Firmengelände selbst herstellte. Dort verbrauchte sie ihn auch, denn die schwierigen Sperrholzkonstruktionen ließen sich nicht durch externe Fabriken erfolgreich herstellen. Durch die räumliche Nähe der Produktion und Verwendung wurde die Entwicklung erleichtert, denn so kannten die Chemiker die speziellen Anforderungen an den Klebstoff. Zudem wurde der Leim auch kein Handelsprodukt, das unter eigenem Markennamen vertrieben wurde. Weitere Gründe dafür sind in der geringen Nachfrage nach diesem Spezialklebstoff und der Geheimhaltung während des Ersten Weltkrieges zu suchen, denn die Luftschiffe wurden im Auftrag des Militärs gebaut. Die Firma war nicht Hersteller des Grundstoffes, denn für Harnstoff-Formaldehyd erhielten die Chemiker Adolf Spitteler und Wilhelm Krische 1897 erstmals ein Patent. Zunächst fand der Grundstoff als Kunststoff Galalith große Verwendung und erst später als Klebstoff, so dass sich auch hier die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Anwendungsgebieten spiegelt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Leime nicht mehr verwendet, da sie sehr schwer zu verarbeiten waren und ihre Wasserfestigkeit nur mittelmäßig war. Diese Umstände führten zur Entwicklung der nächsten Klebstoffe.

Dabei wirkten sich die politischen Verhältnisse nicht mehr unmittelbar auf ihre Entwicklung aus und es fand wieder eine Differenzierung in Entwickler und Hersteller des Klebstoffes auf der einen Seite und Verwender auf der anderen Seite statt. Beide hatten aber intensiven Kontakt, so dass die chemischen Firmen bei ihren Forschungen die besonderen Anforderungen, wie die Wasserfestigkeit und Farblosigkeit der Klebstoffe berücksichtigen konnten.

Die beiden folgenden Klebstoffe wurden fast zeitgleich entwickelt, waren aber unterschiedlich wirtschaftlich erfolgreich, nicht zuletzt auch wegen der Autarkiebestrebungen des »Dritten Reiches«.

Die chemische Firma Th. Goldschmidt stellte aus Phenol-Formaldehyd-Harz einen sehr wasserfesten Spezialklebstoff für die Sperrholzindustrie her und vertrieb ihn ab 1930 unter dem Namen Tego-Klebefilm. Den Grundstoff dafür entwickelte erstmals der Chemiker Kleeberg 1872 und später fand er zunächst wirtschaftliche Bedeutung als Kunststoff, z. B. Bakelit. Auch wurde er gelegentlich als Klebstoff ohne klar formulierte Zielgruppe sowie ohne Markennamen verkauft, was die geringe Nachfrage widerspiegelte.

Dies änderte sich erst, als die Industrie einen wasserfesten Leim benötigte, da Sperrholz zunehmend im technischen Karosseriebereich eingesetzt wurde. Die Firma Goldschmidt begann mit der Industrie zusammen zu arbeiten, schuf das Rezept für den Spezialklebstoff und stellte ihn als gut verwendbares Fertigprodukt her. Dies lohnte sich wirtschaftlich, weil die Sperrholzindustrie das Produkt in sehr großen Mengen abnahm. Die Firma war somit Entwickler und Hersteller des Klebstoffes, aber nicht Verbraucher. Wegen der räumlichen Distanz zum Verbraucher machte sie es zu einem Markenprodukt. Damit ließ sich nachweisen, dass veränderte Anforderungen, gestiegene chemische Kenntnisse und die Suche nach Ersatzstoffen die Entwicklung des neuen Klebstoffes beeinflussten. Allerdings ersetzte dieser Klebstoff die herkömmlichen Leime nie im ganzen Sperrholzbereich, sondern blieb nur auf die technischen Spezialanwendungen beschränkt.

Für den Möbelbau im Innenbereich gab es weiterhin modifizierte Haut- und Glutinleime. Insofern wurde der farblose, recht wasserfeste Sperrholzleim auf Harnstoff-Formaldehyd-Basis zunächst nur wenig nachgefragt. Für ihn erhielt die BASF (I.G. Farben) 1929 ein Patent und brachte ihn unter dem Markennamen Kaurit auf den Markt.

Dabei ließ sich nachweisen, dass die Firma nicht den Grundstoff entwickelte, denn dafür erhielt der Chemiker Hanns John 1918 ein Patent. Ab 1924 stellte die Firma Fritz Pollak daraus den Kunststoff Pollopas und den Klebelack Schellanlösung her, die aber kein wirtschaftlicher Erfolg war. Bei der Schellanlösung hing es damit zusammen, dass die Firma mit dem Produkt keine klar formulierte Zielgruppe ansprach. Dagegen war der Klebstoff Kaurit ein Spezialprodukt für die Sperrholzindustrie und andere Holzverarbeiter. Somit entwickelte die Firma die Rezeptur für den Spezialleim und ist nachweislich Entwickler und Hersteller dieses Klebstoffes. Allerdings hatte die Industrie zunächst keinen Bedarf und verwendete weiterhin die traditionellen Glutin- und Kaseinleime. Dies änderte sich erst durch politische Verhältnisse, denn durch die Autarkiebestrebungen des »Dritten Reiches« wurden die Kaseinimporte unterbunden und der Kaseinleim sehr teuer. Der Kaurit Leim war nun eine Alternative und ersetzte die traditionellen Klebstoffe in der Sperrholzverarbeitung für den Innenbereich auf breiter Ebene.

Zusammenfassend ging die historische Entwicklung der Klebstoffe mit einer unterschiedlichen Differenzierung der vier Akteure einher. Dabei kam es nicht zur Trennung von Entwickler und Hersteller, die weiterhin in einer Person oder Firma vereinigt blieben. Sie standen in einem intensiven Kontakt zu den Verbrauchern, um so die Klebstoffe mit den gewünschten Eigenschaften zu entwickeln. Ebenso innovativ wirkten sich die allgemein gestiegenen chemischen Kenntnisse auf den Prozess aus. Weitere Bedingungen, wie die Industrialisierung, ökonomische und politische Einflüsse, die Wechselwirkung zwischen Kunststoff, Klebstoff und Lacken sowie das Marketing hatten unterschiedliche Einflüsse auf die Entwicklung und wirtschaftlichen Erfolg.

Es wäre interessant, ob die hier herausgearbeitete Entwicklung der Klebstoffe charakteristisch für alle Gewerbe ist. Die in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse können eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen auf diesem Gebiet sein.

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