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Laserforschung in Deutschland 1960–1970

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 (2019) (2019)

Helmuth Albrecht
Laserforschung in Deutschland 1960–1970
Eine vergleichende Studie zur Frühgeschichte von Laserforschung und Lasertechnik in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
(Jenaer Beiträge zur Geschichte der Physik, Band 2)
466 Seiten, 59 teilw. farb. Abb., 24 Tabellen, Gb., 39,80 Euro
ISBN 978-3-86225-109-4
Nicht nur die Anfänge der deutschen Laserforschung werden hier beleuchtet, sondern auch die Mechanismen, die solchen Innovationen zugrunde liegen.

 

Michael Fritsch: Zur Bedeutung von Helmuth Albrechts „Laserforschung in Deutschland 1960–1970“

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Fast genau 20 Jahre nachdem Helmuth Albrecht seine Habilitationsschrift „Laserforschung in Deutschland 1960 bis 1970“ an der Universität Stuttgart vorgelegt hat, wird diese Arbeit nunmehr allgemein verfügbar gemacht. Leser, die es gewohnt sind, jeweils die allerneusten Forschungsergebnisse präsentiert zu bekommen, könnten durch das Alter der Arbeit zumindest irritiert sein. Anhand der vorliegenden Arbeit von Helmuth Albrecht wird allerdings schnell klar, dass Aktualität nicht alles ist. Es geht in dieser Arbeit um die Dokumentation historischer Tatsachen, die reichhaltiges Material bieten und die der modernen Innovationsforschung viel zu sagen haben. Aus diesem Grunde ist der Initiative der Herausgeber sehr zu danken, dass diese Arbeit nunmehr allgemein verfügbar ist.

Worum geht es? Die moderne Innovationsforschung hat gezeigt, dass Innovationsprozesse durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung gekennzeichnet sind. Damit ist gemeint, dass neue Erkenntnisse und Entwicklungen nicht allein durch das Wirken eines einsamen Forschers am Schreibtisch oder in seinem Labor zu erklären sind, sondern dass man in der Regel stark auf den Erkenntnissen anderer aufbaut und auf vielfältige Weise interagiert, indem man Wissen austauscht oder direkt zusammenarbeitet. Aufgrund dieser Erkenntnis hat sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte der Ansatz der „Innovationssysteme“ als dominierender Erklärungsansatz der Innovationsforschung herausgebildet. Dabei geht es im Kern darum, die Gesamtheit der Einflüsse auf Innovationsaktivitäten und deren Ergebnisse zu erfassen. Dementsprechend werden Innovationssysteme als komplexe Gebilde gesehen, die durch ein hohes Maß an Interaktion und Co-Evolution gekennzeichnet sind. Dies schließt auch den Einfluss der jeweiligen staatlichen, historischen und kulturellen Rahmenbedingungen mit ein.

Das durch die Laser-Technologie definierte Innovationssystem, dessen Frühphase Helmuth Albrecht in seiner Habilitationsschrift eingehend dokumentiert, ist in besonderer Weise für Analysen im Rahmen des systemischen Forschungsparadigmas geeignet:

  • Erstens ist Lasertechnologie in hohem Ausmaß wissenschaftsbasiert und bietet ein gutes Beispiel für die Analyse des co-evolutionären Zusammenspiels von akademischer Forschung und der Entwicklung entsprechender kommerzieller Aktivitäten.
  • Zweitens erfordert die Entwicklung von Laser-gestützten Innovationen häufig die Zusammenarbeit unterschiedlicher Wissensgebiete wie z. B. Optik, Plasmaphysik, theoretische Physik, Elektrotechnik, Maschinenbau und/oder Kommunikationstechnik. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit intensiver Kooperationen über die Grenzen traditioneller wissenschaftlicher Disziplinen hinaus. Somit bietet die Laser-Technologie reichhaltige Ansatzpunkte, um die Entwicklung solcher interdisziplinärer Kooperationen sowie ihrer verschiedenen Formen und Effekte zu untersuchen.
  • Drittens stellt die Lasertechnologie eine Schlüsseltechnologie dar, die sehr vielfältig einsetzbar ist, so dass sie diverse Anwendungsmöglichkeiten in sehr unterschiedlichen Industrien bietet. Am Beispiel der Laserindustrie kann man also sehr gut untersuchen, wie sich verschiedenartige technologische Bedingungen wie auch unterschiedliche Marktumfelder auf die Innovationsaktivitäten auswirken.
  • Viertens hat es im Zeitverlauf diverse politische Initiativen gegeben, mit denen versucht wurde, die Laserforschung zu stimulieren. Solche politischen Initiativen kamen aus recht unterschiedlichen Bereichen (z. B. Wissenschaft, Militär, Wirtschaft) und verfolgten eine Vielzahl unterschiedlicher Ziele. Aufgrund dieser Diversität politischer Maßnahmen bietet die Lasertechnologie ein gut geeignetes Beispiel, um die Effekte staatlicher Politik zu analysieren. Anhand des deutschen Laser-Innovationssystems lässt sich insbesondere auch gut zeigen, wie verschiedene Arten von Akteuren Einfluss auf die Politik genommen haben, was wiederum Rückwirkungen auf Forschung und Innovation hatten.

Die Habilitationsschrift von Helmuth Albrecht stellt eine überaus wertvolle Fallstudie der Entstehung eines relativ komplexen Innovationssystems dar. Sie behandelt die ersten Phasen der Entstehung der Laser-Technologie sowie die Aktionen und Reaktionen wesentlicher Akteure. Insbesondere zeigt Albrecht in seiner Schrift auf, wie aus den Aktionen Einzelner und deren Zusammenspiel allmählich ein systemischer Zusammenhang entsteht.

Besonders hervorzuheben ist hier die Dokumentation der Entstehung der Laserforschung in Deutschland und der hierfür relevanten Wissensflüsse. Albrecht beschreibt eingehend, wie es dazu kam, dass die Technologie relativ schnell in Deutschland aufgenommen wurde. Er zeigt, auf welcher Grundlage und unter welchen äußeren Umständen es Dieter Röß im November 1960 gelang, das Laser-Experiment von Theodore Maiman im Münchener Zentrallabor der Firma Siemens zu reproduzieren. Albrecht macht deutlich, dass der hierfür erforderliche Wissenstransfer ausschließlich in Form der schriftlichen Dokumentation des Maiman-Experimentes stattfand und hierfür – entgegen einer weitverbreiteten Hypothese – kein direkter persönlicher Face-to-Face-Kontakt erforderlich war. Von entscheidender Bedeutung war allerdings das Grundverständnis, die absorptive Kapazität, eines Experimentalphysikers sowie die Verfügbarkeit bestimmter Materialien – hier eines Rubin-Kristalls von hoher Reinheit. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Albrechts Darstellung der Schwierigkeiten, mit denen die Adoption der Lasertechnologie in Ostdeutschland verbunden war, wodurch der Einfluss unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen sehr deutlich wird.

Die grundlegenden Arbeiten, die Helmuth Albrecht in seiner Habilitationsschrift dokumentiert, wurden später in einem von der Stiftung Volkswagen finanzierten Projekt gemeinsam mit Guido Bünstorf und dem Verfasser fortgeführt. Dabei wurde insbesondere die Entwicklung des Laser-Innovationssystems in Deutschland bis zum Jahr 2005 eingehend dokumentiert. Aus diesem Projekt heraus sind eine Vielzahl an eingehenden Analysen von einzelnen Aspekten der Entwicklung des Laser-Innovationssystems entstanden. So haben etwa Bünstorf (2007) sowie Bünstorf, Fritsch und Medrano (2005) die Entstehung von Unternehmen der Lasertechnologie analysiert. Fritsch und Medrano (2015) haben die räumliche Diffusion der Laser-Forschung in Deutschland ausgehend von der ersten erfolgreichen Umsetzung des ursprünglichen Laserexperimentes in München untersucht. Die Entwicklung des Teilgebiets der Lasermaterialbearbeitung, und dabei insbesondere das Zusammenspiel von Privatwirtschaft und Politik wurde von Cornelia Fabian (2012) anhand von Fallbeispielen dokumentiert. Albrecht selbst hat vertiefende Arbeiten zur militärischen Laserforschung in Westdeutschland, zur Förderung der akademischen Laserforschung in Westdeutschland durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie zur Frühphase der Entwicklung der Lasertechnologie in der DDR durchgeführt.

Mit der nunmehr allgemein zugänglichen Habilitationsschrift von Helmuth Albrecht und den darauf aufbauenden Arbeiten ist die Entwicklung des Laser-Innovationssystems in Deutschland eingehend dokumentiert. Somit steht der Innovationsforschung umfassendes Material zur Verfügung, um daran anzuknüpfen und weitere wichtige Ergebnisse zu generieren.

Michael Fritsch
Friedrich-Schiller-Universität Jena

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