Verlag für Geschichte
der Naturwissenschaften
und der Technik

Kielmeyer-Bibliographie

Übersicht | Inhalt | Vorwort | Einführung

 (1991) (1991)

Kai Torsten Kanz
Kielmeyer-Bibliographie
Verzeichnis der Literatur von und über den Naturforscher Carl Friedrich Kielmeyer (1765-1844)
(Quellen der Wissenschaftsgeschichte, Band 1)
161 Seiten, 5 Abb., Pb., Vergriffen.
ISBN 978-3-928186-06-3
(Dieser Titel ist vergriffen!)
Eine Bibliographie der Schriften von und Sekundärliteratur über den schwäbischen Naturforscher.

Kielmeyer – Überblick über Leben und Werk

Carl Friedrich Kielmeyer wurde am 22. Oktober 1765 in Bebenhausen bei Tübingen geboren. Er blieb das einzige Kind aus der zweiten, 1764 geschlossenen Ehe des herzoglichen Jagdzeugmeisters Georg Friedrich Kielmeyer (1724-1803) mit der aus Möhringen (Lkr. Tübingen) stammenden Anna Maria Oberreuter (1744-1828). Aus der ersten Ehe des Vaters waren noch der acht Jahre ältere Bruder Franz Gottlieb Friedrich (1757-1824) und zwei Schwestern, Heinrika Friederike (1759-1846) und Johanna Christiana (1761-1814), in der Familie.

Carl Friedrich wurde schon frühzeitig von seinen Lehrern in der Bebenhausener Lateinschule dem Herzog zur Aufnahme in die Karlsakademie empfohlen, in die er am 29. Dezember 1773 eintrat. Dort absolvierte er zunächst die übliche Schulausbildung, den sogenannten philologischen und philosophischen Kursus, bevor er zum eigentlichen Fachstudium überging, für das er anfangs die Kameralwissenschaften wählte, nach einem Jahr aber zum Medizinstudium überwechselte. Dieses Studium schloß Kielmeyer im April 1786 ab, anschließend arbeitete er noch seine medizinische Doktorarbeit aus (Kielmeyer 1786).

Der fähige junge Doktor, dem der Herzog schon während seiner Studienzeit aufgetragen hatte, den herzoglichen Leibjägern Unterricht in der Naturgeschichte zu erteilen, sah seine wissenschaftliche Ausbildung noch nicht als abgeschlossen an. Unterstützt durch ein herzogliches Reisestipendium konnte er in der Folge drei Semester lang an der im damaligen Reichsgebiet führenden Universität Göttingen sein Studium fortsetzen. Eine anschließende Reise durch Deutschland erweiterte zudem den Horizont des jungen Gelehrten.

Nach einigen Auseinandersetzungen um seine Berufung an die Hohe Karlsschule wurde er dort schließlich am 1. Februar 1790 als Lehrer der Zoologie angestellt. Zugleich wurde ihm die Aufsicht über den zoologischen Teil des Naturalienkabinetts übertragen. 1792 stieg er schließlich zum ordentlichen Professor der Chemie in der Medizinischen Fakultät auf und entfaltete eine umfangreiche Vorlesungstätigkeit, die mit der Auflösung der Hohen Karlsschule zu Ostern 1794, nach dem Tode des Herzogs Carl Eugen von Württemberg (1728-1793), abrupt abbrach. Die nächsten zwei Jahre verbrachte Kielmeyer teils auf Reisen, wo er sich wieder in Göttingen sowie an der Nord- und Ostsee aufhielt, teils bei seinen Eltern in Bebenhausen, wo er wissenschaftliche Aufsätze ausarbeitete.

Schließlich wechselte er zum Sommersemester 1796 an die Universität Tübingen als ordentlicher Professor der Chemie, allerdings ohne Sitz und Stimme in der Fakultät und ohne Prüfungsberechtigung. Dies erklärt auch, warum die erste von Kielmeyer in Tübingen betreute medizinische Dissertation erst aus dem Jahre 1802 stammt. Kielmeyer hatte nämlich erst 1801 die vollen akademischen Rechte an der Universität Tübingen erhalten. In dieser Stellung als Professor der Medizin in Tübingen verblieb Kielmeyer bis zum Jahre 1817, obwohl er mehrere Rufe auf andere Universitäten, insbesondere nach Berlin, Göttingen und Halle erhalten hatte.

1817 wechselte Kielmeyer als Staatsrat und Direktor der wissenschaftlichen Sammlungen nach Stuttgart, von welchem Amt er aus Krankheitsgründen im Jahre 1839 zurücktrat und am 24. September 1844 in Stuttgart starb.

So klar diese äußeren Daten zu fassen sind, umso schwieriger wird es, Kielmeyers wissenschaftliches Werk einzuordnen. Kielmeyers Ruhm verbreitete sich schon zu Lebzeiten. Nach der Veröffentlichung seines Hauptwerkes, der Karlsschulrede von 1793, nahmen ihn die »Naturforschende Gesellschaft zu Jena« und die »Regensburgische botanische Gesellschaft« als Mitglied auf. Weitere Ehrungen, deren Höhepunkt die Verleihung des württembergischen Personaladels (»Ritter des Civil-Verdienst-Ordens«) im Jahre 1808 war, folgten später.

Seinen Zeitgenossen galt Kielmeyer bereits als »berühmter Naturforscher« (Conz 1808). Zahlreiche wissenschaftliche Kollegen brachten ihm ihre Anerkennung entgegen. Von Goethe wurde er auf dessen zweiter Schweizerreise im Jahre 1797 in Tübingen besucht. Der bedeutende Greifswalder Anatom Karl Asmund Rudolphi meinte, daß er gerne eine Wallfahrt zu Kielmeyer unternehmen würde. Alexander von Humboldt widmete dem »grossen Physiologen« seine »Beobachtungen aus der Zoologie und vergleichenden Anatomie« (Humboldt 1806).

Auch Kielmeyers Schüler verbreiteten seinen Ruhm. Mehr als einer von ihnen benutzte Kielmeyers in seinen Vorlesungen entwickelte Ideen. Von Karl August von Eschenmayer, Christoph Heinrich Pfaff, Georg Friedrich Jäger bis zu Leopold Gmelin reichen die Namen der Schüler, die sich direkt auf Kielmeyers Vorlesungen beziehen. Nachschriften dieser Vorlesungen haben nachweislich nicht nur Henrik Steffens, Rudolph Wagner und Johann Gottlob Kurr benutzt, sondern auch der Philosoph Arthur Schopenhauer interessierte sich sehr dafür und erwarb ein Manuskript von Kielmeyers Vorlesung über die »PflanzenPhysik«.

Nach der Übersiedlung Kielmeyers nach Stuttgart wurde es ruhiger um ihn. Die Übernahme der Geschäftsführung bei der 1834 in Stuttgart stattfindenden Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte war seine letzte wissenschaftliche Aktivität.

Kielmeyers Nachruhm

Nach seinem Tode wurde Kielmeyer bald vergessen. Abgesehen von den wenigen Nekrologen, die Schüler und Freunde von ihm verfaßt haben, wurde sein Andenken nicht mehr gepflegt. Zu seinem 100. Geburtstag im Jahre 1865 veröffentlichte nur sein Schüler, der Bonner Professor Franz Joseph Karl Mayer, eine »Reliquie« Kielmeyers. Kielmeyers wissenschaftliches Werk schien nicht in den Rahmen des von Positivismus und Materialismus geprägten Wissenschaftsverständnisses des späten 19. Jahrhunderts zu passen. Diese Einschätzung sollte sich bald ändern. Ernst Krause und andere entdeckten Kielmeyer als Vorläufer des von Ernst Haeckel propagierten und so genannten »biogenetischen Grundgesetzes«. Unter diesem Blickwinkel wurde und wird seit bald 100 Jahren Kielmeyer-Forschung betrieben, während seine chemischen und geologisch-paläontologischen Vorstellungen bis heute nicht genügend gewürdigt wurden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts taucht der Name Kielmeyers in fast allen Darstellungen zur Geschichte der Naturwissenschaften, insbesondere zur Biologie- und Medizingeschichte, sowie auch in vielen Philosophiegeschichten auf. Zu einer eigentlichen Kielmeyer-Renaissance kam es indessen erst in den dreißiger Jahren, als Biologen wie Jacob Hermann Friedrich Kohlbrugge, Heinrich Balss, Max Rauther, Julius Schuster und Fritz-Heinz Holler sich der Erforschung von Kielmeyers Leben und Werk widmeten. Höhepunkt dieser Kielmeyer-Renaissance war die Veröffentlichung von Kielmeyers »Gesammelten Schriften« im Jahre 1938, einer Auswahl aus zum Teil schon bekannten, überwiegend aber bislang nur handschriftlich vorgelegenen Briefen und Manuskripten Kielmeyers.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es Jahrzehnte, bis an die begonnenen Forschungen angeknüpft werden konnte. Hier ist in erster Linie der Name von Dorothea Kuhn zu nennen, die mit ihrem Habilitationsvortrag über »Kielmeyers System der organischen Kräfte« wesentlich über das zuvor geleistete hinausging. Sie regte zudem eine Neu- bzw. Erstausgabe von Kielmeyers Werken, wissenschaftlichen Manuskripten und seines Briefwechsels an, die bedauerlicherweise nie erschienen ist, da die Bearbeiterin, die Biologiehistorikerin Ingrid Schumacher, aus persönlichen Gründen die Arbeit nach zwei Jahren aufgab. Das von ihr mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft gesammelte Material ist leider nicht zugänglich, so daß jeder künftige Bearbeiter wieder von vorne anfangen muß. Die einzigen nennenswerten Texteditionen von Kielmeyers Manuskripten wurden zum einen von Reinhard Löw vorgelegt, der im Anhang zu seiner wissenschaftshistorischen Dissertation mehrere chemische Manuskripte Kielmeyers erstmals edierte, zum anderen von Doktoranden des Tübinger Instituts für Geschichte der Medizin (Leiter: Prof. Dr. Gerhard Fichtner), die die Dekanatsbücher der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen aus einem Teil von Kielmeyers Amtszeit in einer vorbildlichen Edition vorlegten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis von Kielmeyers amtlicher Tätigkeit leisteten.

Bei diesem derzeitigen Stand der Kielmeyer-Forschung ist es erforderlich, Prioritäten zu setzen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, nicht erneut ein zum Scheitern verurteiltes editorisches Großprojekt zu starten. Ziel sollte es vielmehr zunächst sein, durch die Bereitstellung einer hochwertigen Bibliographie den gegenwärtigen Forschungsstand zu dokumentieren und in der Folge nicht alle, sondern ausgewählte Quellen zu edieren sowie Einzelaspekte von Kielmeyers Leben und Werk und seinen Einfluß auf die Herausbildung der Romantischen Naturphilosophie zu untersuchen. Wenn diese vom Sonderforschungsbereich 230 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Teilprojekt A 1 »Naturbegriffe und Naturverständnis« initiierte Kielmeyer-Forschung schließlich doch in einer regelrechten Kielmeyer-Edition münden sollte, so wäre dies eine erfreuliche Entwicklung.

Übersicht | Inhalt | Vorwort | Einführung