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Zerrissene Wissenschaft

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 (2026) (2026)

Frank Kuschel
Zerrissene Wissenschaft
Der Physikochemiker Karl Lothar Wolf (1901–1969) in der Chemie des 20. Jahrhunderts
192 Seiten, 66 Abb., Gb., 34,80 Euro
ISBN 978-3-86225-147-6
(Erscheint am 14. Februar 2026)
Die Biografie des Physikochemikers Karl Lothar Wolf zwischen Pionierleistungen, NS-Karriere und Neuanfang: Ein kritischer Blick auf Wissenschaft, Macht und Verantwortung im 20. Jahrhundert.

Vorbemerkung

„Jeder Mensch ist sich selber unterlegen.“
—— Kurt Tucholsky, 1931

Dieses Buch möchte am Beispiel eines Hochschullehrers einen bescheidenen Beitrag zur sogenannten Erinnerungskultur leisten. Der Protagonist, ein anerkannter Physikochemiker, war der Prototyp eines Menschen, der sich in der NS-Zeit dem Spannungsverhältnis zwischen dem arrivierten Wissenschaftler und dem ideologischen Opportunisten bewusst hingab.

Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht ein Hochschullehrer, dessen Leben und Wirken gleichermaßen von Ehrgeiz, Tatendrang und Unrast geprägt war. Gleichzeitig vertrat er umstrittene Thesen und nutzte politische Kontakte zur Durchsetzung seiner Interessen. Es ist die Rede von Karl Lothar Wolf, geboren am 14. Februar 1901 im rheinpfälzischen Kirchheimbolanden als Sohn eines Postbeamten. Wolf galt als durchaus anerkannter Physikochemiker, zugleich jedoch auch als ein umstrittener, dem Nationalsozialismus zugewandter Naturwissenschaftler und Hochschullehrer. Diese Biographie beschäftigt sich mit einem Mann, der einerseits beachtliche Leistungen als engagierter Forscher, akademischer Lehrer, Autor und Herausgeber hervorbrachte und der andererseits ausgesprochen problematische, weltanschauliche und politische Haltungen offensiv und streitbar vertrat.
Akademische Schüler und ehemalige Mitarbeiter Wolfs hatten ihren Lehrer und Institutsdirektor als ehrgeizigen, wissenschaftlich wie organisatorisch sehr aktiven und keineswegs konfliktscheuen Kettenraucher in Erinnerung. Rückblickend erscheint es tragisch, wie sich ein fachlich stark engagierter Wissenschaftler, im Gegensatz zu etlichen seiner Zeitgenossen und Fachkollegen, durch zweifelhafte Überzeugungen, tadelnswerte Engagements und herausforderndes Agieren um uneingeschränkte Anerkennung gebracht hat.

Die historische Bewertung derartiger, mehr oder weniger stark nationalsozialistisch kontaminierter Biographien erfolgte je nach zeitlichem Abstand zu 1945 auf unterschiedliche Weise. In der frühen Nachkriegszeit überwog die Herausstellung der wissenschaftlichen Meriten unter weitgehender Ausblendung fragwürdiger Verstrickungen. Später wurde viel kritischer hinterfragt und dabei gelegentlich über das Ziel hinausgeschossen. Im vorliegenden Buch soll beides vermieden werden.

In neueren Publikationen wird Karl Lothar Wolf mehrfach als einer der führenden Vertreter der „Deutschen Chemie“ apostrophiert. Einige dieser Zuschreibungen sind vermutlich aus einer selektiven Sicht ohne umfassendere Betrachtung seines Lebens und seiner wissenschaftlichen Verdienste entstanden. Diese Lücke möchte die vorliegende Biographie schließen. Am Ende soll ein eigenes Urteil möglich sein.

Um dem Habitus Wolfs gerecht zu werden, wäre eine Bibliographie seiner Schriften angebracht gewesen. Das allerdings würde der Intention dieses Abrisses nicht entsprechen. Wer sich für dieses Thema interessiert, findet darin sicher noch genügend Hinweise, um tiefer in Wolfs Leben und Wirken eintauchen zu können.

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