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Die Familie Jobst und das Chinin

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 (2003) (2003)

Volker Ziegler
Die Familie Jobst und das Chinin
Materialwarenhandel und Alkaloidproduktion in Stuttgart 1806-1927
181 Seiten, 9 Abb., Pb., 25,00 Euro
ISBN 978-3-928186-71-1
Untersuchung der Entwicklung der pharmazeutischen Industrie in Deutschland am Beispiel der pharmazeutischen Fabrik Fridrich Jobst, Feuerbach

 

Zusammenfassung

Von einem interdisziplinären Ansatz geprägt, beschäftigt sich die folgende Arbeit mit der Geschichte der Firma Fridrich Jobst in Stuttgart, bzw. mit der durch eine Fusion aus den Firmen Fridrich Jobst und Conrad Zimmer entstandenen Nachfolgerin, den Vereinigten Chininfabriken Zimmer & Co in Frankfurt am Main und Stuttgart-Feuerbach. Die Firma Fridrich Jobst bzw. die Nachfolgefirma, die Vereinigten Chininfabriken Zimmer & Co., nahm im Bereich der Chinaalkaloide eine weltweit führende Stellung ein. Da vor allem Chinin dargestellt wurde, wird die Entdeckung, Erforschung, Anwendung und Bedeutung dieses Alkaloids behandelt.

Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens führte die Familie Jobst auch zum sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg, der hier nicht übersehen werden soll.

Der interdisziplinäre Ansatz soll zu einem besseren Verständnis der Firmengeschichte führen. Die wissenschaftliche Forschung der Firma im Bereich der Chemie und Pharmazie wird in einen Zusammenhang zum wirtschaftlichen Erfolg gestellt und aus dieser Sicht beurteilt. Hinzu kommen die grundlegenden Veränderungen für die europäischen Chininhersteller, die der Übergang von der Heranziehung wild wachsender Cinchonen zur Plantagenwirtschaft für die Chinindarstellung hatte. Stichworte sind hier das ständig wachsende Chinarindenangebot seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts und die Zunahme und veränderte Zusammensetzung der Chinaalkaloide in den Rinden.

Dieser interdisziplinäre Ansatz kommt auch in der Art der Quellen, die herangezogen werden, zum Ausdruck. Neben Quellen aus privaten und öffentlichen Archiven werden auch naturwissenschaftliche Veröffentlichungen wichtiger Forscher für den Bereich der Chinaalkaloide berücksichtigt.

Die Geschichte der Firma Fridrich Jobst bzw. der Vereinigten Chininfabriken Zimmer & Co. erweitert den Kenntnisstand über die Geschichte der pharmazeutischen Industrie in Deutschland. Sie ist ein Beispiel für eine Gründung im Bereich der pharmazeutischen Industrie, die nicht aus einem Apothekenlaboratorium hervorging. Schon Armin Wankmüller hat auf die Bedeutung von Kaufleuten für die Gründung pharmazeutischer Fabriken in Württemberg hingewiesen.

Die Firma Jobst betrieb nach der Einstellung des Chemikers Oswald Hesse seit dem Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine institutionalisierte Industrieforschung. Sie stellt damit das Bindeglied zu den später eingerichteten großen Industrieforschungslaboratorien der großen Firmen wie etwa Bayer und Hoechst im Bereich der pharmazeutischen Industrie dar, wobei die Firma Zimmer selbst über ein solches Forschungslaboratorium in Frankfurt verfügt haben muß.

Die Kenntnis des Stuttgarter Materialwarenhandels und besonders des Materialwarenhandels Fridrich Jobsts, der in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts überregionale Bedeutung gewann, erweitert und verändert das Bild des deutschen Materialwarenhandels. Neben Leipzig, Hamburg und Bremen muß auch für Stuttgart von einer überregionalen Bedeutung, hier für den Bereich Süddeutschland, Österreich, Balkan, Italien und die Schweiz, ausgegangen werden.

Für das Gebiet der wissenschaftlichen Erforschung der Chinaalkaloide sind die Namen von zwei bedeutenden Wissenschaftlern zu nennen, die bisher noch recht wenig bekannt sind. Das ist zum einmal Oswald Hesse, der sich vor allem um die Erforschung der Chinaalkaloide verdient gemacht hat, zum anderen Julius Morgenroth, der die Chinaalkaloide für das damals neue Gebiet der Chemotherapie erschloß und mit dem Optochin das erste wirksame Mittel gegen bakterielle Infektionen fand. Gerade die Leistung Julius Morgenroths gilt es besonders herauszustellen, weil die Bedeutung seiner Arbeit erst jetzt langsam in das allgemeine Bewußtsein zu dringen beginnt. Der Artikel in der Neuen Deutschen Biographie von Werner Gerabek und die Benennung eines Platzes in Berlin mit seinem Namen können nur als Beginn einer Rehabilitation dieses jüdischen Naturwissenschaftlers gewertet werden.

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